Erklärung von Premierministerin May in Berlin: 20. Juli 2016
Erklärung der britischen Premierministerin Theresa May bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrem Treffen in Berlin
Zunächst möchte ich allen, die von dem furchtbaren Angriff in einem Zug am Montag in Würzburg betroffen waren, mein aufrichtiges Mitgefühl aussprechen. Meine Gedanken und Gebete sind bei ihnen allen.
Frau Bundeskanzlerin, ich danke Ihnen, dass Sie mich heute nach Berlin eingeladen haben.
Es freut mich sehr, hier zu sein, zu meinem ersten internationalen Besuch als Premierministerin, nur eine Woche nach meinem Amtsantritt. Das unterstreicht mein persönliches Bekenntnis dazu, eine starke und konstruktive Partnerschaft zwischen uns aufzubauen, Frau Bundeskanzlerin. Eine Partnerschaft, die dem Wohl der Menschen hier in Deutschland ebenso wie der Menschen in meinem Heimatland Großbritannien dient.
Und dies ist natürlich der erste Deutschlandbesuch eines britischen Premiers nach der Entscheidung des britischen Volkes, die Europäische Union zu verlassen. „Brexit“ bedeutet „Brexit“, das habe ich ganz deutlich gesagt, und Großbritannien wird ihn erfolgreich vollziehen.
Gleichzeitig aber möchte ich heute hier und in den kommenden Wochen überall in Europa deutlich machen, dass wir uns nicht von unseren europäischen Freunden abwenden werden. Großbritannien bleibt ein weltoffenes Land.
Und Deutschland wird immer ein wichtiger Partner und ein besonderer Freund für uns bleiben. Wir haben eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte, unsere Sprachen und Kulturen sind eng miteinander verflochten, und in den letzten Jahrzehnten haben wir ein starkes Bündnis geschmiedet. Das hat sich auch in dem historischen Staatsbesuch Ihrer Majestät der Königin vor gut einem Jahr hier in Deutschland widergespiegelt.
In diesem kontruktiven Geist bin ich heute hierher gekommen, um die Grundlagen für eine starke Partnerschaft für die kommenden Monate und Jahre zu schaffen. Ich möchte, dass Großbritannien weiter mit seinen europäischen Partnern zusammenarbeitet, um den Handel und das Wirtschaftswachstum zu steigern und die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, gemeinsam anzugehen.
Diese Fragen haben wir in unserem Gespräch schon angeschnitten und werden sie beim Abendessen weiter vertiefen. Ich würde gerne kurz im Einzelnen auf diese Themen eingehen.
Erstens, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern.
Wir beide sind Regierungschefinnen, die ein stabiles Wachstum anstreben und dafür sorgen wollen, dass alle daran teilhaben.
Deutschland ist der zweitgrößte Wirtschaftspartner des Vereinigten Königreichs weltweit, und die zweitwichtigste Quelle ausländischer Investitionen in unserem Land. In Deutschland sind 1.300 britische Unternehmen tätig, die mehr als 220.000 Beschäftigten Arbeit geben.
Natürlich wird sich der Charakter unserer Beziehungen durch den Austritt Großbritanniens aus der EU verändern, aber wir wollen beide ein möglichst enges wirtschaftliches Verhältnis zwischen unseren Ländern bewahren. Und ich denke, das wollen die deutschen und britischen Unternehmen auch.
Deshalb ist es gut, dass wir auf einem so starken Fundament aufbauen können. Unsere Länder glauben beide an liberale Märkte und an den freien Handel. Das sind die Grundsätze, die uns in den vor uns liegenden Gesprächen leiten sollten.
Zweitens müssen wir uns den globalen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, auch weiter gemeinsam stellen. Vom Eintreten für die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine bis hin zur Unterstützung für die Millionen Menschen, die unter der Situation in Syrien leiden, haben Deutschland und das Vereinigte Königreich in der Welt oft mit einer starken, vereinten Stimme gesprochen.
Diese Zusammenarbeit müssen wir weiter ausbauen. Unsere beiden Länder haben sich schon darauf verständigt, die bilaterale Kooperation im militärischen Bereich zu verstärken und gemeinsam mehr gegen die organisierte Kriminalität zu unternehmen.
Wir wollen auch weiter zusammenarbeiten, um den Strom der Flüchtlinge über die Ägäis und das Mittelmeer einzudämmen.
Und angesichts der terroristischen Angriffe in Nizza und Würzburg, müssen wir unsere Anstrengungen im Kampf gegen den Islamischen Staat verstärken und für unsere gemeinsamen Werte entschlossen eintreten.
In unserer weiteren Zusammenarbeit müssen wir natürlich auch über das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union verhandeln, und wir möchten, dass es gelingt. Das braucht Zeit und erfordert ernsthafte und detaillierte Arbeit.
Aber solange wir in der Europäischen Union sind, werden wir die Rechte und Pflichten der EU-Mitgliedschaft respektieren.
Ich möchte mit Bundeskanzlerin Merkel und meinen anderen Kollegen im Europäischen Rat in konstruktiver Weise zusammenarbeiten, um unseren Austritt vernüftig und geordnet zu vollziehen.
Wir alle brauchen Zeit, um uns auf diese Verhandlungen vorzubereiten, und das Vereinigte Königreich wird das Verfahren nach Artikel 50 erst dann in Gang setzen, wenn unsere Ziele klar sind.
Und deshalb, das habe ich ja schon gesagt, wird dies nicht vor Ende des Jahres geschehen. Mir ist klar, dass dieser Zeitplan nicht allen gefallen wird, aber ich meine, es ist wichtig, in diesem Punkt jetzt Klarheit zu schaffen.
Wir sollten nach einer Lösung streben, die den Willen der britischen Wähler achtet, aber auch die Interessen unserer europäischen Partner respektiert. Gemeinsam sollten wir uns darum bemühen, die Chancen, die dies für beiden Seiten, das Vereinigte Königreich und die EU, bedeutet, möglichst gut zu nutzen.
Abschließend möchte ich noch einmal festhalten, was ich kürzlich schon gesagt habe: Das Vereinigte Königreich darf künftig nicht ausschließlich über den Prozess unseres Austritts aus der EU definiert werden. Und dieser Prozess darf nicht unsere Beziehungen zu anderen Ländern auf der ganzen Welt bestimmen.
Natürlich liegen Herausforderungen vor uns, und es gibt eine Menge abzuarbeiten, aber ich bin überzeugt, dass das Vereinigte Königreich, wenn es nun die Europäische Union verlässt, starke und erfolgreiche Beziehungen zu den europäischen Ländern aufbauen kann – und dass diese Beziehungen nicht nur für Großbritannien, sondern auch für unsere Partner von Nutzen sein können.
Und wenn wir jetzt dieses neue Kapitel aufschlagen, freue ich mich darauf, in Zusammenarbeit mit Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, diese Partnerschaft erfolgreich zu gestalten.
Pressekonferenz
Frage
Frau Premierministerin, Frau Bundeskanzlerin, die EU will verhindern, dass Großbritannien Rosinenpickerei betreibt. Nun sind die ersten Signale aus London genau das: Vorteile erhalten, Nachteile abbauen wie bei den Themen Binnenmarkt und Arbeitnehmerfreizügigkeit. Gibt es wirklich kein Szenario, den „Brexit“ noch abzuwehren?
Eine Frage zur Türkei: Die EU sagt, ein Land, das die Todesstrafe wieder einführt, kann nicht Mitglied der EU werden. Kann ein solches Land aber Partner eines Flüchtlingspakts bleiben?
Bundeskanzlerin Merkel
Erst einmal ist es aus meiner Sicht doch absolut verständlich, dass wenige Tage nach dem Referendum und wenige Tage, nachdem eine neue Regierung in Großbritannien gebildet ist, die Regierung erst einmal überlegen muss: Was sind unsere Interessen? Wie sieht das genau aus? Wie bespricht man sich auch in dem großen Britannien, wie es ja im Namen schon heißt? Ich denke, es ist auch in unser aller Interesse, wenn Großbritannien den Austritt mit einer sehr gut definierten Verhandlungsposition beantragt, und zwar auch schon mit der Möglichkeit, klar zu sagen, wie es sich seine zukünftigen Beziehungen zur Europäischen Union vorstellt. Das müssen parallele Prozesse sein. Man kann nicht erst alle Bindungen kappen, um anschließend in einem weiteren langwierigen Verhandlungsprozess zu schauen, welche Verbindungen man eingeht. Deshalb ist aus meiner Sicht eine gute Vorbereitung wichtig. Das ist auch im Interesse der Europäischen Union.
Deshalb werden wir den Zeitpunkt abwarten, zu dem Großbritannien diesen Antrag stellt, und dann auf dieser Basis unsere Leitlinien festlegen, entlang derer dann die Verhandlungen zum Austritt Großbritanniens geführt werden. Ich denke, dass wir, wie es die Premierministerin vielfach gesagt hat, einfach von der Realität ausgehen, und die Realität heißt, dass zwar 48 Prozent der Einwohner Großbritanniens für den Verbleib gestimmt haben, aber eben 52 Prozent für das Verlassen der Europäischen Union. Mit dieser Realität setzen wir uns jetzt auseinander, unbeschadet der Frage, was man sich gewünscht hätte.
Zur zweiten Frage, die das Flüchtlingsabkommen anbelangt: Der Charakter des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei besteht darin, dass wir die Illegalität, die illegale Migration, das Schlepperwesen, die Tatsache, dass sich Menschen in die Hände von sehr oft auch skrupellosen Menschen begeben und Geld bezahlen mussten, dass Menschen ihr Leben lassen mussten, beenden und auf uns die Basis stellen, dass unsere humanitäre Verantwortung auf legalem Wege erfolgen kann.
Das bedeutet, dass wir diese Illegalität stoppen müssen. Das ist im Augenblick sehr gut der Fall. Das bedeutet aber auch, dass Teil des EU-Türkei-Abkommens ist, dass humanitäre Kontingente mit Flüchtlingen aus der Türkei auf freiwilliger Basis legal in europäische Mitgliedsstaaten kommen können. Die Grundlage dieses Abkommens war immer und bleibt, dass wir natürlich Sicherheiten für die Menschen, die von Griechenland in die Türkei zurückgeschickt werden, haben. Das werden wir natürlich sehr intensiv beobachten. Der UNHCR ist in dieser Frage ein wichtiger Partner. Ich habe bis jetzt keinerlei Anzeichen, dass die Türkei an dieser Stelle nicht zu den Verpflichtungen steht. Ich denke im Übrigen, dass es im gegenseitigen Interesse ist, dass nicht vor unseren Augen täglich Menschen in der Ägäis ertrinken, ihr Leben lassen und Illegalität den ägäischen Raum beherrscht.
Deshalb gibt es Kritik, sehr deutliche Kritik an dem, was im Augenblick in der Türkei stattfindet. Gerade die Menschen, die sich in der Nacht des Putsches gegen diesen Putsch gewendet haben, haben nach meiner Auffassung ein Recht darauf, dass jetzt auch ihre Rechte geachtet werden. Es waren viele, die sich gegen diesen Militärputsch gestellt haben. Deshalb werden wir die Dinge mit großer Sorge betrachten. Ich habe meine Sorgen auch gegenüber dem türkischen Präsidenten bereits telefonisch zum Ausdruck gebracht.
Frage
Frau Premierministerin, in Ihren Gesprächen mit der Bundeskanzlerin wird es sicher hauptsächlich darum gehen, wie Sie den EU-Handel und die Zuwanderung gegeneinander abwägen. Lohnt es sich, einen Teil unseres Wohlstands zu opfern, um mehr Kontrolle über die Einwanderung zu bekommen?
Frau Bundeskanzlerin, ist es auch nur entfernt realistisch für Großbritannien zu erwarten, dass es seine Handelsrechte behalten und gleichzeitig strengere Obergrenzen für die Zuwanderung einführen kann? Und, wenn ich das fragen darf, der erste Eindruck ist ja wichtig, Sie haben sich gerade zum ersten Mal getroffen, was halten Sie voneinander?
Premierministerin
Mir ist völlig klar, dass das britische Volk mit seinem Votum für einen Austritt aus der Europäischen Union deutlich gemacht hat, dass man sich eine Kontrolle der Zuwanderung aus der Europäischen Union in das Vereinigte Königreich wünscht. Und deshalb ist das natürlich eines der Themen, mit dem wir uns auseinandersetzen und bei dem wir als Regierung im Sinne der Bürger handeln werden.
Aber wir wollen natürlich auch eine gute Regelung für den Handel mit Waren und Dienstleistungen für Großbritannien bekommen. Ich denke, das ist für uns wichtig, das ist aber auch für andere Länder in der Union wichtig, die ja mit uns Handelsbeziehungen haben. Das wird auf jeden Fall Teil der Gespräche und dann auch der Entscheidungen sein. Wir werden uns etwas Zeit nehmen, um unsere Prinzipien und Ziele zu definieren, bevor wir den formalen Verhandlungsprozess einleiten.
Sie haben auch gefragt, wie wir uns bei unserem ersten Treffen verstanden haben. Ich denke, wichtig ist, dass hier zwei Frauen stehen, die sich verstanden haben und ein sehr konstruktives Gespräch geführt haben, zwei Frauen, die, wenn ich das so sagen darf, sich an die Arbeit machen und beide die bestmöglichen Ergebnisse für die Bürger des Vereinigten Königreichs und die Bürger Deutschlands erzielen wollen.
Bundeskanzlerin Merkel
Genau. Dem schließe ich mich vollinhaltlich an. Schauen Sie, die Menschen in Großbritannien haben in der Mehrheit dafür gestimmt, dass sie die Europäische Union verlassen wollen. Jetzt ist es der Auftrag der neuen Regierung, diesen Wunsch umzusetzen. Wir haben Großbritannien nicht gebeten, die Europäische Union zu verlassen, sondern wir respektieren diese Entscheidung. Das heißt, wir müssen jetzt genau wissen, in welcher Form die Menschen weiter Beziehungen zur Europäischen Union haben wollen. Wir sind ganz sicher, dass wir gute bilaterale Beziehungen haben werden. Wir nehmen sehr gern den Satz auf: Damit bleibt Großbritannien trotzdem ein Teil Europas. - Daraus ergeben sich vielerlei gemeinsame Verpflichtungen und auch Aufträge, auch wenn es darum geht, wie wir in der Welt wahrgenommen werden. Aber es ist dann nicht so, dass die britische Premierministerin in Zukunft am Tisch des Europäischen Rates sitzen wird. Das heißt, wir werden andere Formen der bilateralen Kontakte finden.
Jetzt hören wir auf Großbritannien, auf das, was Großbritannien möchte, und dann werden wir darauf auch die richtige Antwort geben. Aber es hat ja keinen Sinn, jetzt im Vorfeld zu sagen „Wenn dies passiert, passiert jenes, und wenn dies passiert, passiert jenes“, wenn das dann 27 Länder mit ihrer jeweils eigenen Akzentsetzung sagen. Das würde sehr viel Unsicherheit verbreiten. Das ist nicht in britischem Interesse und auch nicht in unserem Interesse, denn wir wollen – das hat die Premierministerin genauso gesagt – doch vermeiden, dass zu viel Unruhe, zu viel Unsicherheit entsteht. Es muss das Vertrauen entstehen, dass wir die nicht einfachen Verhandlungen in gegenseitigem Respekt und auch in gegenseitiger Freundschaft zielgerichtet führen. „Zielgerichtet“ heißt, dass wir natürlich wissen, was die Wünsche der britischen Regierung sind, um in Großbritannien erfolgreich mit dieser Frage fertig zu werden, aber das wir natürlich auch sehen müssen, wie wir als EU der 27 erfolgreich mit dieser Situation umgehen werden, sodass jede Seite in Respekt vor der Entscheidung der Briten daraus das Beste machen wird.
Frage
Frau Premierministerin, können Sie uns in Deutschland erklären, was Sie bewogen hat, Boris Johnson zum Außenminister zu machen? Warum stellen Sie also einen Spieler auf, der das Spiel gar nicht spielen will?
Frau Bundeskanzlerin, was glauben Sie, wie hart die Verhandlungen mit Großbritannien mit diesem Außenminister werden?
Premierministerin
Es wäre gefährlich, als britische Premierministerin hier in Deutschland über Fußball reden zu wollen. Hier stehen wir vielleicht nicht ganz so gut da wie die Deutschen. Zweitens: Ich habe ja ein Team von Ministern zusammengestellt, die die Position der britischen Regierung umsetzen werden. Als britische Regierung und als Premierministerin werden wir in jedem Fall versuchen, gute Beziehungen zu allen europäischen Mitgliedstaaten aufzubauen. Deswegen bin ich ja auch hier, um konstruktive Gespräche anzustoßen. Wir möchten an die sehr positive Partnerschaft, die Großbritannien ja schon mit Deutschland hat, anknüpfen, und diese positiven Beziehungen sind die Grundlage für alles, was ich als Premierministerin tue, und alles, was die Minister meiner ganzen Regierung tun.
Bundeskanzlerin Merkel
Zuerst einmal: Egal, mit wem man in Großbritannien verhandelt, das Land ist ein in diplomatischen Fähigkeiten erfahrenes Land. Verhandlungen mit britischen Regierungen sind immer anstrengende Verhandlungen, interessante Verhandlungen, taktisch kluge Verhandlungen. Wir versuchen sozusagen im Wettbewerb der Verhandlungsstrategien auch auf Augenhöhe zu arbeiten. Das ist immer spannend. Damit haben wir ja auch langjährige Erfahrung; denn ich meine, auch während der Zeit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union waren die Verhandlungen mit Großbritannien, wenn ich einmal an finanzielle Vorausschauen denke, nicht immer trivial. Deshalb habe ich da gar keine Sorge, dass wir das nicht auch gut miteinander machen werden.
Zweitens, was den Außenminister anbelangt: Es gab bereits das erste Treffen der Außenminister innerhalb der 28, und ich glaube, hierbei hat sich gezeigt, welch große Zahl von außenpolitischen Problemen und ernsten Herausforderungen wir vor uns haben, die Premierministerin hat eben darauf hingewiesen, ob es die Frage des EU-Türkei-Abkommens ist, ob es die Frage der Situation in Syrien ist oder ob es die Frage der territorialen Integrität der Ukraine ist. Hiermit haben wir alle Hände voll zu tun, und ich gehe davon aus, dass der britische Außenminister in guter Kooperation mit den anderen 27 Außenministern genau an diesen Themen arbeiten wird. Das Ansehen Europas wird sehr davon abhängen, wie wir uns in die Lösung von solch komplizierten Fragen einbringen können, von denen ja hunderttausende Menschenleben abhängen.
Frage
Darf ich Sie vielleicht fragen, Frau Premierministerin, stehen Sie immer noch zu dem Ziel, die Zuwanderung nach Großbritannien auf einige Zehntausend pro Jahr zu begrenzen, und wenn ja, sind Sie bereit, die Zuwanderung aus der EU zu begrenzen, bevor der Brexit vollzogen sein wird? Und Frau Bundeskanzlerin, sind Sie mit Mrs Mays Vorschlag einverstanden, dass Artikel 50 erst im nächsten Jahr aktiviert wird? Es gibt ja ein paar Leute im Vereinigten Königreich, die sagen, das hat keine Eile, vielleicht brauchen wir Artikel 50 überhaupt nicht auszulösen. Muss Großbritannien mit einer Strafe rechnen, falls sich dieser Prozess in die Länge zieht?
Premierministerin
Erstens, zum Thema Nettozuwanderung in das Vereinigte Königreich: Ich habe ja immer ganz deutlich gesagt, dass der Grund dafür, dass wir überhaupt so eine Zahl für die Nettozuwanderung genannt haben, der ist, dass wir versuchen wollen, sie auf ein tragfähiges Niveau zu bringen. Tragfähig sind unserer Meinung nach einige Zehntausend. Es könnte einige Zeit dauern, bis wir dahin gelangen. Natürlich sind jetzt noch einige neue Faktoren hinzugekommen, die eine Rolle spielen. Wie ich vorhin schon auf eine Frage geantwortet habe, ist eine der Botschaften des Brexit-Votums, dass eine Form von Kontrolle der Zuwanderung von Menschen aus der Europäischen Union nach Großbritannien eingeführt werden muss. Das ist also ein weiterer Faktor, den wir uns anschauen werden, wenn wir uns mit der zukünftigen Nettozuwanderung befassen werden. Aber es geht darum, was tragfähig ist, und ich glaube, ein tragfähiges Niveau sind einige Zehntausend.
Bundeskanzlerin Merkel
Wir werden uns bei den Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union an die europäischen Verträge halten. Diese Verträge besagen: Es wird ein Antrag durch das entsprechende Land gestellt. Darin steht nicht, wann nach der internen Entscheidung dieser Antrag gestellt werden muss, sondern dort steht einfach: Es wird ein Antrag gestellt, und dann erfolgt die Erarbeitung von Leitlinien, die im Europäischen Rat beschlossen werden. Deshalb ist es das Gebot, auf Basis der Verträge diesen Antrag abzuwarten und, sage ich noch einmal, dann auch eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sich Großbritannien diesen Austritt und die zukünftigen Beziehungen vorstellt.
Ich meine, niemand will eine Hängepartie. Ich glaube, das will weder die britische Bevölkerung noch wollen es die europäischen Mitgliedstaaten. Aber jeder hat ein Interesse daran, dass die Dinge sorgfältig vorbereitet werden und dass die Positionen klar sind. Ich finde es absolut verständlich, dass dafür eine bestimmte Zeitspanne notwendig ist. In dieser Zeitspanne wird Großbritannien auch während der Austrittsverhandlungen weiterhin Mitglied der Europäischen Union sein; das hat die Premierministerin auch deutlich gemacht. Wir werden alle Fragen, mit denen wir befasst sind und die uns auf der Welt ereilen – oft sind es ja auch Ereignisse, die wir gar nicht selbst in der Hand haben, sondern mit denen wir uns befassen müssen – mit Großbritannien besprechen und dann eben gleichzeitig eines Tages die Austrittsverhandlungen führen.