Europa-Rede von Premierminister David Cameron
Europa-Rede von Premierminister David Cameron in Chatham House zur Notwendigkeit von Reformen
Prime Minister’s speech on Europe
Europa-Rede von Premierminister David Cameron am 10. November 2015 in Chatham House, London
Einführung
Vor fast drei Jahren habe ich eine Rede zu Europa gehalten.
Ich argumentierte damals, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können, müsse die Europäische Union sich reformieren.
Ich argumentierte, Großbritanniens Zukunft liege in einer reformierten Europäischen Union, sofern die erforderlichen Änderungen beschlossen werden könnten.
Und ich versprach den britischen Bürgern, dass wir im Falle meiner Wiederwahl als Premierminister ein In-Out-Referendum abhalten und endgültig entscheiden würden, ob unsere nationale und wirtschaftliche Sicherheit besser durch einen Verbleib in der Europäischen Union oder einen Austritt geschützt würde.
Dieses Versprechen wird jetzt eingelöst.
Das Recht unseres Landes schreibt vor, dass bis spätestens Ende 2017 ein Referendum über unsere EU-Mitgliedschaft abgehalten werden muss.
Nachdem bereits einige Runden technischer Gespräche stattgefunden haben, beginnt jetzt die offizielle Phase der Neuverhandlungen.
In einem Brief an den Präsidenten des Europäischen Rates werde ich heute erläutern, wie ich auf die Anliegen der britischen Bürger eingehen möchte und warum ich glaube, dass die von Großbritannien gewünschten Änderungen nicht nur Großbritannien, sondern der EU insgesamt zugute kommen.
Die genauen rechtlichen Veränderungen, die notwendig sind, um die von Großbritannien benötigten Reformen herbeizuführen, werden natürlich erst in den Verhandlungen selbst festgelegt.
Aber ich möchte heute genauer erklären, warum wir diese Änderungen wünschen und inwiefern sie einen Unterschied machen werden.
Dies ist vielleicht die wichtigste Entscheidung, die die britischen Bürger in ihrem Leben an der Urne treffen müssen.
Ich möchte also für die britischen Bürger darlegen, warum dieses Referendum wichtig ist, und auf einige der Punkte eingehen, die wir sehr sorgfältig abwägen müssen, wenn der Streit darüber im Vorfeld des Referendums an- oder abschwillt.
Und ich möchte unseren europäischen Partnern erklären, warum wir dieses Referendum abhalten, was wir fordern und warum.
Bloomberg – drei Jahre später immer noch relevant
Seit dieser Rede vor fast drei Jahren sind die Herausforderungen, mit denen die Europäische Union konfrontiert ist, nicht weniger geworden – sie haben vielmehr zugenommen.
Die wirtschaftliche Perspektive mag etwas rosiger sein. Aber die Nachwirkungen der Krise der Eurozone sind noch zu spüren.
Die Bedrohung unserer Sicherheit – und der Sicherheit jeder europäischen Nation – ist in den letzten Jahren enorm gewachsen, von der russischen Invasion in der Ost-Ukraine über das Auftreten des IS bis hin zu den Migrationsströmen, die durch den Krieg in Syrien ausgelöst wurden.
Und in ganz Europa zwingt uns auch der Aufstieg von Protestparteien zum Handeln.
Aber nichts, was geschehen ist – nichts – hat das zentrale Argument, das ich in meiner Rede bei Bloomberg dargelegt habe, ins Wanken gebracht oder obsolet gemacht.
Wenn überhaupt, ist es nur noch stärker geworden.
Die Europäische Union muss sich verändern.
Sie muss wettbewerbsfähiger werden, um mit dem Aufstieg von Volkswirtschaften wie China und Indien Schritt halten zu können.
Sie muss die Beziehungen zwischen den Ländern in der Eurozone und denen außerhalb der Eurozone – wie Großbritannien – auf eine stabile, langfristige Grundlage stellen.
Sie braucht mehr demokratische Verantwortlichkeit gegenüber den nationalen Parlamenten.
Vor allem muss sie, wie ich bei Bloomberg gesagt habe, eher als flexibles Netz denn als starrer Block funktionieren.
Vergessen Sie nicht, dass die Europäische Union jetzt 28 alte europäische Nationen umfasst.
Genau diese Vielfalt ist Europas größte Stärke. Wir ich Großbritannien meinen, dass wir diese Tatsache feiern sollten.
Machen wir uns bewusst, dass nicht bei jedem Problem die Antwort “mehr Europa” heißt. Manchmal heißt sie “weniger Europa”.
Akzeptieren wir, dass es keine Universalkonzepte gibt.
Diese Flexibilität funktioniert meiner Meinung nach für Großbritannien am besten – und übrigens auch für Europa.
Das zu tun, was am besten für Großbritannien ist, ist die Motivation meiner gesamten Arbeit als Premierminister.
Das bedeutet auch, schwierige Entscheidungen zu treffen und manchmal Argumente vorzubringen, die die Menschen nicht wirklich hören wollen.
Deswegen haben wir schwierige, aber notwendige Maßnahmen ergriffen, um das Defizit abzubauen.
Deswegen halten wir an unserem langfristigen Wirtschaftsplan fest.
Deswegen reformieren wir das Sozial- und das Bildungssystem.
Wir wissen nämlich, dass das Fundament unserer Sicherheit eine starke Wirtschaft ist – und dass dies die Dinge sind, die jedes Land tun muss, um im 21. Jahrhundert erfolgreich zu sein.
Das ist auch der Grund, warum wir trotz der angespannten Lage unseres Staatshaushalts garantierte 2% unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben und 0,7% unseres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe.
Mit diesem Geld können wir unsere Streitkräfte mit zwei brandneuen Flugzeugträgern ausrüsten, unsere Dronenflotte verdoppeln, neue Kampfflugzeuge und U-Boote kaufen und in unsere Spezialeinsatzkräfte investieren.
All das tun wir zum Schutz unserer wirtschaftlichen und nationalen Interessen.
Und das ist auch das Prisma, durch das ich unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union betrachte, wenn ich die unliebsamen Entscheidungen treffe, die schwierigen Argumente vorbringe, die Themen auf den Tisch bringe, über die niemand sprechen will, und unsere wirtschaftliche und nationale Sicherheit schütze und fördere.
Wie die meisten Briten gehe ich diese Frage eher pragmatisch als emotional an. Mit dem Kopf, nicht aus dem Bauch heraus.
Ich weiß, dass einige unserer europäischen Partner das als enttäuschend an Großbritannien finden. Aber so sind wir. So waren wir als Nation immer.
Wir sind rigoros pragmatisch. Wir sind hartnäckig bodenständig. Wir sind natürliche Mythenzertrümmerer.
Wir betrachten die Europäische Union nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zu Zweck. “Europa wo nötig, national wo möglich”, wie unsere niederländischen Freunde sagen. Als ein Instrument, um die Macht und den Wohlstand unseres Landes zu vergrößern – genau wie die NATO, unsere Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat oder dem IWF.
Wir verstehen, dass die Sicherheit und der Wohlstand des Kontinents, mit dem unsere Insel geographisch verbunden ist, eng an unsere eigene Sicherheit und unseren eigenen Wohlstand gekoppelt ist.
Wie könnten wir das in der Woche, in der wir des Endes des Ersten Weltkriegs gedenken, und in dem Jahr, in dem wir den 70. Jahrestag der Befreiung Europas begehen, anders sehen?
Großbritannien hat einen maßgeblichen Beitrag zu der Freiheit geleistet, die Europas Staaten heute genießen. Auf dem ganzen Kontinent, von Ypres bis Monte Cassino, von Bayeux bis Arnhem liegen auf steinkalten Friedhöfen die sterblichen Überreste britischer Soldaten, die den Kanal überquerten, um geknechteten Nationen zu helfen, das Joch des Tyrannen abzuwerfen und auf “diesem edlen Kontinent”, wie Churchill ihn nannte, der Freiheit wieder ihren angestammten Platz zurückzugeben.
Und auch heute noch leisten wir unseren vollen Beitrag zur europäischen und globalen Sicherheit.
Wir bekämpfen Ebola in Westafrika. Fliegen Überwachungseinsätze über den baltischen Staaten. Leisten einen Beitrag zu NATO-Einsätzen in Mittel- und Osteuropa. Retten Leben und zerschlagen Schleuserringe im zentralen Mittelmeer. Geben £1,1 Mrd. an Hilfe für die Region Syrien, Libanon und Jordanien aus, mehr als jedes andere europäische Land.
Großbritannien hat sich immer engagiert, weil wir wissen, dass Engagement der beste Weg ist, um unsere wirtschaftliche und nationale Sicherheit zu schützen und zu fördern.
Heute bin ich angesichts der neuen Bedrohungen und Gefahren für unser Land fest überzeugt, dass die europäische Frage für Großbritannien nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Sicherheit ist, sondern auch der nationalen Sicherheit, nicht nur eine Frage von Arbeitsplätzen und Handel, sondern auch der Sicherheit unserer Nation.
Und da auf die Europäische Union fast die Hälfte unseres Handels entfällt, ist es für unsere wirtschaftliche Sicherheit auch wichtig, dass die Europäische Union wettbewerbsfähig ist und den Wohlstand ihrer Mitglieder mehren kann.
Ebenso wichtig ist es für uns, dass die Eurozone – obwohl wir nicht zu ihr gehören und meiner Ansicht nach auch nie zu ihr gehören werden – imstande ist, ihre Probleme erfolgreich zu bewältigen. Denn wenn sie scheitert, werden wir sicher nicht immun gegen die Nebenwirkungen sein.
Das ist der Grund, warum ich vor fast drei Jahren die Argumente für die Reform dargelegt habe, eine Reform, die Großbritannien und meiner Ansicht nach auch der gesamten EU zugute käme.
Ich habe klar gesagt, dass Großbritannien von seiner EU-Mitgliedschaft profitiert. Aber auch, dass es hier größere Probleme gibt, die angepackt werden müssen.
Politische Führung bedeutet, sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen, nicht, sie sich wegzuwünschen. Wenn wir sie ignorieren – das lehrt uns die Geschichte – werden sie nur noch schlimmer.
Lassen Sie mich erklären, was ich meine.
Vier große Herausforderungen für die Europäische Union
In meiner Bloomberg-Rede vor fast drei Jahren sagte ich, die Europäische Union stehe vor drei großen Herausforderungen.
Erstens, die Probleme in der Eurozone: sie müssen behoben werden, und hierzu bedarf es grundlegender Änderungen.
Zweitens, eine Krise der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, da andere Nationen auf der Welt vorpreschen und Europa Gefahr läuft, abgehängt zu werden.
Und drittens eine Kluft zwischen der EU und ihren Bürgern, die in den letzten Jahren dramatisch gewachsen ist und die in einem Mangel an demokratischer Verantwortlichkeit und Zustimmung besteht, der in Großbritannien besonders akut zu spüren ist.
Diese drei Herausforderungen sind heute noch so akut wie damals, als ich sie zum ersten Mal beschrieb.
Heute möchte ich aber noch eine vierte hinzufügen.
Wie wir in Europa im Zusammenhang mit der Migrationskrise so spektakulär gesehen haben, brauchen die Staaten größere Kontrollmöglichkeiten, um die Belastung durch Zuwanderer in den Griff zu bekommen.
Und obwohl wir in Großbritannien nicht zum Schengen-Raum gehören, weswegen wir unseren eigenen Weg gehen und Flüchtlinge direkt aus den Lagern aufnehmen können, brauchen wir einige zusätzliche Vorkehrungen, um gegen den allgemeineren Missbrauch des Rechts auf Personenfreizügigkeit innerhalb Europas vorzugehen und den sehr hohen Zustrom von Menschen, die aus ganz Europa kommen, zu verringern.
Die Änderungen, für die wir eintreten, sind also substanziell.
Aber sie haben ein sehr klares Ziel: diese vier Herausforderungen zu bewältigen, die für den Erfolg der Europäischen Union unverzichtbar sind, und die wirtschaftliche und nationale Sicherheit Großbritanniens innerhalb der Union zu erhalten und zu fördern.
Lassen Sie mich nacheinander darauf eingehen.
Wirtschaftspolitische Steuerung und die Eurozone
Erstens ist es in unser aller Interesse, dass die Eurozone über die richtige Wirtschaftsordnung und die richtigen Strukturen verfügt, um langfristig eine erfolgreiche Währung zu sichern.
Großbritannien versteht das, und wir werden diesen Entwicklungen nicht im Wege stehen, solange wir sicher sein können, dass es Verfahren gibt, die den vollständigen Schutz unserer Interessen garantieren.
Lassen Sie mich erklären, was ich meine.
Heute gibt es in der Europäischen Union zwei Kategorien von Mitgliedern: Euro-Länder und Nicht-Euro-Länder.
Die Änderungen, die die Eurozone umsetzen muss, werden für beide Kategorien von Mitgliedern tiefgreifende Folgen haben.
Deshalb brauchen Nicht-Euro-Länder wie Großbritannien, die außerhalb der Eurozone sind, bestimmte Garantien, um den Binnenmarkt und unsere Möglichkeit, seine Regeln festzulegen, zu schützen und dafür zu sorgen, dass wir weder benachteiligt werden noch zusätzliche Kosten durch die Integration der Eurozone übernehmen müssen.
Denn die Europäische Union ist nicht identisch mit der Eurozone. Und für die Staaten, die in der EU aber außerhalb der Eurozone sind, ist es wichtig, dass dies akzeptiert wird.
Wir brauchen ein britisches Modell der Mitgliedschaft, das für Großbritannien und alle anderen Nicht-Euro-Staaten funktioniert.
Und das sollte durchaus möglich sein.
Die Europäische Union ist eine Familie demokratischer Nationen, die ursprünglich als gemeinsamer Markt gegründet wurde – und das auch noch ist.
Es gibt keinen Grund, warum die gemeinsame Währung und der gemeinsame Markt die gleichen Grenzen haben sollten, ebenso wenig wie der gemeinsame Markt und Schengen die gleichen Grenzen haben.
Deshalb braucht die EU Flexibilität, um sowohl den Mitgliedern innerhalb wie auch denen außerhalb der Eurozone gerecht zu werden – sowohl denen, die an eine viel engere wirtschaftliche und politische Integration denken, als auch Ländern wie Großbritannien, die dies niemals anstreben werden.
Dieser Punkt ist für Großbritannien von zentraler Bedeutung.
Denn wenn die Europäische Union sich zu einem gemeinsamen Währungs-Club entwickeln sollte, in dem die Nicht-Euro-Länder an die Seite gedrängt und überstimmt würden, dann wäre sie nicht mehr unser Club.
Diese Frage muss geregelt werden, damit Großbritannien nicht gezwungen ist, eine Reihe von Kleinkriegen zu führen, die nur das Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten erschüttern würden.
Und wir müssen dafür sorgen, dass es Sinn macht, in der EU, aber nicht in der Eurozone zu sein, und dass dies nicht bedeutet, dass ein Land Regeln nur noch befolgt, aber nicht mehr aufstellt.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür.
Im Rahmen unserer Neuverhandlungen fordere ich daher die europäischen Regierungschefs auf, klare und verbindliche Regeln zu verabschieden, die Großbritannien und andere Nicht-Euro-Länder schützen, sowie einen Schutzmechanismus, der garantiert, dass diese Prinzipien geachtet und umgesetzt werden.
Diese Prinzipien sollten Folgendes beinhalten:
Es muss anerkannt werden, dass die EU mehr als eine Währung hat.
Es darf keine Diskriminierung und keine Benachteiligung von Unternehmen aufgrund der Währung ihres Landes geben.
Die Integrität des Binnenmarkts muss geschützt werden.
Jegliche Änderung, die die Eurozone im Zuge ihrer Weiterentwicklung beschließen wird, wie zum Beispiel die Schaffung einer Bankenunion, muss für die Nicht-Euro-Länder freiwillig sein, sie darf ihnen nie aufgezwungen werden.
Steuerzahler in Nicht-Euro-Ländern dürfen niemals zur Finanzierung von Maßnahmen zur Unterstützung der Eurozone herangezogen werden.
Ebenso wie die Finanzstabilität und –aufsicht eine Schlüsselkompetenz von Institutionen der Eurozone wie der EZB geworden sind, sind in Nicht-Euro-Ländern die Finanzstabilität und –aufsicht eine Schlüsselkompetenz nationaler Institutionen wie der Bank of England.
Und sämtliche Angelegenheiten, die alle Mitgliedstaaten betreffen, müssen von allen Mitgliedstaaten diskutiert und entschieden werden.
Wettbewerbsfähigkeit
Zweitens wollen wir eine Europäische Union, die unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt, sondern verbessert.
Hier haben wir seit meiner Bloomberg-Rede schon Fortschritte gemacht.
Die Zahl der Gesetzgebungsvorschläge, die unter der neuen Kommission vorgelegt wurden, ist schon um 80% zurückgegangen, und in diesem Jahr werden voraussichtlich mehr Vorschriften zurückgenommen als während der gesamten Amtszeit der vorangegangenen Kommission.
Wir haben Vorschläge für eine Kapitalmarktunion, die Existenzgründern und expandierenden Unternehmen bei der Finanzierung helfen wird.
Die neuen Pläne zur Vertiefung des Binnenmarkts für Dienstleistungen und die Digitalwirtschaft werden Millionen von britischen Unternehmen neue Chancen eröffnen, damit sie überall in Europa einfacher Geschäfte machen zu können.
Aufgrund von Änderungen, die wir gerade erst im letzten Monat durchgesetzt haben, werden britische Touristen bei Mobiltelefonaten keine Roaming-Gebühren mehr zahlen müssen, und auch keine exorbitanten Kreditkartengebühren mehr.
Und erst im letzten Monat veröffentlichte die Europäische Kommission eine neue Handelsstrategie; sie spiegelt eine Agenda wider, für die Großbritannien seit Jahren plädiert und die auch beinhaltet, dass potentiell umfangreiche Handelsabkommen mit Amerika, China, Japan und ASEAN vorangebracht werden.
Wir kennen den Nutzen, den der Freihandel bringen kann.
Abkommen, die in jüngster Zeit z.B. mit Korea geschlossen wurden, ermöglichen den britischen Verbrauchern schon jetzt Einsparungen in Höhe von £5 Mrd. jährlich und haben mit dazu geführt, dass die britischen Automobilexporte nach Korea auf das Fünffache angestiegen sind.
Aber es gibt noch viel mehr, was wir tun können.
Wir haben zwar schon viel erreicht, um die Flut neuer Vorschriften einzudämmen, aber die Belastung durch geltende Vorschriften ist immer noch zu hoch.
Vor zwei Jahren haben wir erreicht, dass der EU-Haushalt erstmals real gekürzt wurde. Das müssen wir jetzt auch bei der EU-Bürokratie tun.
Deshalb brauchen wir ein Ziel für den Abbau der Gesamtbelastung für die Wirtschaft.
Und gleichzeitig müssen wir all die unterschiedlichen Vorschläge, Zusagen und Vereinbarungen zum Binnenmarkt, zum Handel und zum Abbau der Bürokratie zu einer klaren Verpflichtung zusammenführen, die die Wettbewerbsfähigkeit in die DNA der gesamten Europäischen Union schreibt.
Souveränität und Subsidiarität
Drittens müssen wir uns mit der Desillusionierung befassen, die viele Bürger in Europa gegenüber der Europäischen Union als Institution empfinden.
Solche Bedenken gibt es nicht nur in Großbritannien.
Aber sie sind hier vielleicht größer als anderswo in der Europäischen Union heute.
Wir haben schon ein Gesetz verabschiedet, das garantiert, dass es nie wieder zu einer Übertragung von Kompetenzen von Großbritannien nach Brüssel kommen kann, ohne dass das britische Volk in einem Referendum explizit zugestimmt hat.
Aber wenn Großbritannien in der EU bleiben soll, müssen wir noch mehr tun.
Letztlich geht es um Folgendes:
Wir sind eine stolze, unabhängige Nation. Das wollen wir auch bleiben. Deshalb müssen wir ganz ehrlich sein. Das Bekenntnis im Vertrag zu einer immer engeren Union darf für Großbritannien nicht länger gelten.
Wir glauben nicht daran. Wir stehen nicht dahinter. Wir haben eine andere Vision von Europa.
Wir glauben an eine flexible Union freier Mitgliedstaaten, die gemeinsame Verträge und Institutionen haben und die partnerschaftlich zusammenarbeiten, um unseren gemeinsamen Wohlstand zu fördern und um die Sicherheit unserer Bürger vor Gefahren – von innen wie von außen – zu schützen. Und die im Lauf der Zeit und nur mit einstimmiger Zustimmung auch weiter neue Länder in die EU aufnehmen.
Diese Vision der Flexibilität und Zusammenarbeit ist nicht die gleiche wie die derer, die eine immer engere Union aufbauen wollen, aber sie ist genauso berechtigt.
Und wenn wir unsere europäischen Partner nicht überreden können, diese Vision zu teilen, müssen wir in jedem Fall einen Weg finden, der es ermöglicht, dass Großbritanniens Mitgliedschaft von dieser Vision geleitet wird.
Ich kann Ihnen heute also sagen, dass ich im Rahmen unserer Neuverhandlungen die europäischen Regierungschefs um eine klare, rechtlich bindende und irreversible Vereinbarung bitten werde, die Großbritanniens Verpflichtung, auf eine immer engere Union hinzuarbeiten, beendet.
Dies wird bedeuten, dass Großbritannien niemals gegen seinen Willen in eine politische Union verstrickt oder in irgendeine Form der Vereinigten Staaten Europas eingebunden werden kann.
Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass, ungeachtet der wichtigen Rolle des Europäischen Parlaments, die nationalen Parlamente, so auch unser eigenes hier in Westminster, eine gewichtigere Rolle bekommen.
Schließlich sind die nationalen Parlamente der Ursprung echter demokratischer Legitimation und Verantwortlichkeit in der EU.
Es ist nämlich das britische Parlament, gegenüber dem ich Rechenschaft ablegen muss, wenn es um die EU-Haushaltsverhandlungen oder die Sicherung unseres Platzes auf dem Binnenmarkt geht.
Das sind die Parlamente, die den einzelstaatlichen Politikern immer noch Respekt – und sogar Angst – einflößen.
Deshalb ist es an der Zeit, diesen nationalen Parlamenten im Rechtssetzungsprozess der EU ein größeres Mitspracherecht zu geben.
Wir schlagen nicht vor, dass jedes einzelne nationale Parlament ein Vetorecht haben sollte. Wir wissen, dass dies in einer Europäischen Union von 28 Staaten den Stillstand bedeuten würde.
Aber wir wollen eine neue Regelung, bei der Gruppen von nationalen Parlamenten sich zusammenschließen und europäische Gesetze, die nicht in ihrem nationalen Interesse sind, ablehnen können.
Außerdem müssen wir uns mit dem Thema Subsidiarität befassen, de Frage, was am besten in Brüssel entschieden und was am besten in den europäischen Hauptstädten geregelt werden sollte.
Wir meinen, wenn Kompetenzen nicht in Brüssel angesiedelt sein müssen, sollten sie an das Westminster-Parlament zurückgegeben werden.
Wir wollen also, dass Verpflichtungen der EU in Bezug auf Subsidiarität vollständig umgesetzt werden, wobei es klar formulierte Vorschläge geben muss, wie dies erreicht werden soll.
Außerdem benötigt das Vereinigte Königreich eine Zusicherung, dass die EU-Institutionen den Grundgedanken der Protokolle im Bereich Justiz und Inneres bei allen künftigen Vorschlägen in diesem Bereich in vollem Umfang achten werden, insbesondere damit die Möglichkeit zur freiwilligen Beteiligung Großbritanniens erhalten wird.
Und die nationale Sicherheit ist alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und muss es bleiben, obwohl wir auch den Nutzen einer Zusammenarbeit in Fragen, die unser aller Sicherheit angehen, anerkennen.
Schließlich sind, was diesen Bereich angeht, die Menschen auch über einige Urteile frustriert, die in Europa gefällt werden und sich auf das Leben in Großbritannien auswirken.
Dies gilt natürlich ebenso für die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wie für die Europäische Union.
Weswegen wir an beiden Fronten handeln müssen.
Wir werden also unser Verhältnis zur EMRK reformieren, indem wir das von der Labour-Regierung verabschiedete Menschenrechtsgesetz (Human Rights Act) aufheben und eine neue britische Bill of Rights einbringen.
Wir werden – natürlich – Konsultationen dazu führen, wie wir diese große Verfassungsänderung in Angriff nehmen können.
In der Konsultation, die wir veröffentlichen werden, werden wir unsere Pläne darlegen, wie wir die Rolle der britischen Gerichte und unseres Parlaments wiederherstellen wollen, ohne die Gründungsprinzipen der Konvention zu verletzen.
Und im Zuge der Reform des Verhältnisses zwischen unseren Gerichten und Straßburg sollten wir uns auch mit der Rolle des Europäischen Gerichtshofs und der Charta der Grundrechte befassen.
Wir werden also, wie damals beim Vertrag von Lissabon vereinbart, in unserem nationalen Recht verankern, dass die EU-Charta der Grundrechte keine neuen Rechte begründet.
Wir werden gegenüber unseren Gerichten explizit klarstellen, dass sie die EU-Charta nicht als Grundlage für neue Klagen unter Berufung auf angebliche neue Menschenrechtsgründe verwenden können.
Zudem werden wir prüfen, ob wir noch einen Schritt weiter gehen können.
Wir müssen die Art und Weise prüfen, wie Deutschland und andere EU-Staaten ihre Verfassung und ihre Souveränität aufrechterhalten.
So zum Beispiel hat in Deutschland das Bundesverfassungsgericht weiterhin das Recht zu prüfen, ob bei der Übertragung von Befugnissen an Europa essentielle verfassungsrechtliche Freiheiten geachtet werden.
Und es hat sich auch das Recht vorbehalten, Rechtsakte europäischer Institutionen und Gerichte daraufhin zu kontrollieren, ob sie im Rahmen der EU-Kompetenzen erlassen wurden oder ob sie die Grenze überschreiten.
Wir werden überlegen, wie wir das in Großbritannien handhaben könnten.
Zuwanderung
Viertens glauben wir an eine offene Volkswirtschaft. Wir müssen aber in der Lage sein, all die Belastungen zu bewältigen, die Personenfreizügigkeit mit sich bringen kann – für unsere Schulen, unsere Krankenhäuser und unsere öffentlichen Dienstleistungen. Im Moment sind die Belastungen zu groß.
Es ist mir klar, dass dies in Zeiten, in denen andere europäische Länder mit einer immensen Belastung durch die Zuwanderungen von außerhalb der EU konfrontiert sind, für manche EU-Staaten schwer zu verstehen ist.
Aber diese Belastungen sind gewissermaßen ein Beispiel für genau das Argument, das Großbritannien in den letzten Jahren angeführt hat.
Für uns ist dies keine Frage von Rasse oder Hintergrund oder ethnischer Zugehörigkeit – Großbritannien gehört zu den offensten und kosmopolitischsten Ländern weltweit.
Menschen aus aller Welt finden hier in Großbritannien ihre eigene Community.
Das Problem ist das Ausmaß und die Geschwindigkeit, und die Belastung, die hierdurch für die Gemeinschaften entsteht, und das in Zeiten, in denen die öffentlichen Finanzen ohnehin infolge der Finanzkrise unter erheblichem Druck stehen.
Dies war bei unseren jüngsten Parlamentswahlen ein großes Thema, und das ist es auch noch.
Anders als in anderen Mitgliedstaaten wächst Großbritanniens Bevölkerung schon jetzt. Unsere Bevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten auf über 70 Millionen wachsen, und es wird prognostiziert, dass wir bis 2050 das bevölkerungsreichste Land der EU sein werden.
Gleichzeitig beläuft sich unsere Nettozuwanderung auf über 300.000 pro Jahr. Das ist nicht haltbar. Wir haben viele Schritte unternommen, um die Zuwanderung von außerhalb der EU zu kontrollieren. Aber wir müssen auch in der Lage sein, mehr Kontrolle über Neuankömmlinge aus der EU auszuüben.
Das Prinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein im Vertrag festgeschriebenes Grundrecht und ein wichtiges Prinzip des Binnenmarkts.
Über eine Million Briten profitieren von ihrem Recht, an jedem beliebigen Ort in der EU zu leben und zu arbeiten.
Dieses Prinzip, das für viele Briten eine Selbstverständlichkeit ist, wollen wir nicht zerstören.
Aber die Freizügigkeit war nie ein uneingeschränktes Recht, und angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre müssen wir die Art und Weise, wie sie ausgeübt wird, jetzt auf eine nachhaltigere Basis stellen.
Großbritannien war immer eine offene Handelsnation, und daran wollen wir nichts ändern.
Aber wir wollen Regelungen finden, die es einem Mitgliedstaat wie Großbritannien erlaubt, in unserem Zuwanderungssystem wieder für eine gewisse Fairness zu sorgen und das derzeit sehr hohe Level von Bevölkerungsbewegungen aus der EU nach Großbritannien zu reduzieren.
Das bedeutet zunächst, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und dafür zu sorgen, dass wenn in Zukunft neue Länder der EU beitreten, die Freizügigkeit für diese Mitgliedstaaten so lange nicht gilt, bis ihre Volkswirtschaften viel näher an die jetzigen Mitgliedstaaten herangeführt wurden.
Als nächstes müssen wir ein überaus strenges System zur Bekämpfung des Missbrauchs der Freizügigkeit einführen. Hierzu gehören verschärfte und längere Wiedereinreiseverbote für Betrüger und Menschen, die bei Scheinehen mitwirken. Hierzu gehört, dass wir uns mit der Tatsache befassen, dass es für EU-Bürger viel einfacher ist, Ehepartner aus einem Nicht-EU-Staat nach Großbritannien zu holen können, als für britische Staatsbürger. Hierzu gehören umfassendere Befugnisse, Straftäter abzuschieben und zu verhindern, dass sie zurückkommen, ebenso wie ihnen von vornherein die Einreise zu verwehren. Und hierzu gehört auch, dass wir uns mit einigen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes befassen, die den Umfang der Personenfreizügigkeit auf eine Weise erweitert haben, die es schwerer macht, gegen diese Art von Missbrauch vorzugehen.
Aber letzten Endes brauchen wir, wenn wir die Zahl der Zuwanderer reduzieren wollen, Maßnahmen, die uns mehr Kontrolle über die Zuwanderung aus der EU geben.
Wie ich früher schon erklärt habe, können wir dies tun, indem wir die Sogwirkung verringern, die unser Wohlfahrtssystem in ganz Europa ausüben kann.
Denen, die sagen, dass dies nichts ändern wird, sage ich: Schauen Sie sich die Zahlen an.
Wir wissen jetzt, dass zu jedem Zeitpunkt rund 40% aller in jüngerer Zeit eingetroffenen Migranten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum britische Sozialleistungen beziehen, wobei jede Familie im Durchschnitt rund £6000 pro Jahr bekommt, und über 10000 in jüngerer Zeit angekommene Familien über £10000 jährlich beziehen.
Wir müssen wieder für eine gewisse Fairness sorgen und diesen vom Steuerzahler subventionierten Sogfaktor abbauen.
Bei den Wahlen habe ich deshalb vier Maßnahmen versprochen. Zwei sind schon umgesetzt worden.
EU-Migranten werden während der Arbeitssuche keinen Anspruch auf Universal Credit mehr haben. Und wenn Arbeitssuchende aus der EU nicht innerhalb von sechs Monaten eine Stelle gefunden haben, müssen sie wieder gehen.
Aber wir müssen noch einen Schritt weiter gehen, um die Zahl der Neuankömmlinge zu verringern.
Wir haben deshalb vorgeschlagen, dass Menschen, die aus der EU nach Großbritannien kommen, für vier Jahre hier gelebt und eingezahlt haben müssen, bevor sie Anspruch auf Leistungen für Arbeitnehmer oder Sozialwohnungen erhalten. Und dass wir die Praxis, Kindergeld ins Ausland zu schicken, beenden sollten.
Ich verstehe, dass einige dieser Punkte für andere Mitgliedstaaten problematisch sind. Und ich bin offen für verschiedene Lösungsansätze für dieses Problem.
Aber wir müssen Regelungen finden, die das im Wahlprogramm der Konservativen Partei versprochene Ziel, die Migration aus der Europäischen Union zu kontrollieren, einlöst.
Die vier Ziele
Das also sind die vier Ziele, die den Kern unserer Neuverhandlungen bilden.
Ziel 1: Den Binnenmarkt für Großbritannien und andere Länder außerhalb der Eurozone schützen. Ich denke hier an eine Reihe von verbindlichen Prinzipien, die Fairness zwischen Euro- und Nicht-Euro-Ländern garantieren.
Ziel 2: Wettbewerbsfähigkeit in die DNA der Europäischen Union insgesamt schreiben. Hierzu gehört auch der Abbau der bürokratischen Gesamtbelastung der Wirtschaft.
Ziel 3: Großbritannien von einer “immer engeren Union” ausnehmen und die nationalen Parlamente stärken. Nicht durch warme Worte, sondern durch rechtsverbindliche und irreversible Änderungen.
Und Ziel 4: Den Missbrauch des Rechts auf Freizügigkeit bekämpfen und uns die Möglichkeit geben, die Migration aus der Europäischen Union zu kontrollieren, wie in unserem Wahlprogramm vorgesehen.
Wie diese Änderungen im Einzelnen aussehen werden, wird Gegenstand der Neuverhandlungen sein.
Lassen Sie mich aber ganz klar sagen: wenn wir zu einer Einigung gelangen können, muss das auf einer Grundlage geschehen, die rechtlich bindend und unabänderlich ist und die, wo nötig, Rechtskraft in den Verträgen hat.
Die Verhandlungen
Nun werden in Großbritannien einige sagen, was wir fordern, sei viel zu wenig.
Und in den europäischen Hauptstädten werden einige sagen, was wir fordern, sei viel zu viel.
Ich sage, was ich fordere, ist das, was benötigt wird, um die Probleme in Großbritanniens Verhältnis zur Europäischen Union zu beheben.
Und dass diese Maßnahmen, wenn sie angenommen werden, der Europäischen Union insgesamt zugute kommen.
Ich bin seit fünfeinhalb Jahren Premierminister.
Ich habe an 39 Tagungen des Europäischen Rats mit meinen europäischen Amtskollegen teilgenommen.
Ich habe aus nächster Nähe erlebt, wie diese Verhältnis funktioniert; ich weiß, wie viel Großbritannien von seiner EU-Mitgliedschaft profitieren kann.
Und ich habe gesehen, wo die Probleme liegen.
Ich habe mir sehr sorgfältig überlegt, was nötig ist, um diese Probleme zu beheben, und ich habe jetzt ein sehr sorgfältig durchdachtes Paket geschnürt.
Es ist nicht absonderlich oder absurd. Es ist richtig, und es ist zumutbar.
Aber es darf kein Zweifel bestehen. Zumutbar bedeutet nicht, dass es an Entschlossenheit mangelt.
Ich weiß natürlich, dass Verhandlungen sind, was sie sind: Verhandlungen.
Großbritannien ist aber die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU. Wir leisten den zweitgrößten Beitrag zum EU-Haushalt. Zusammen mit Frankreich sind wir die wichtigste militärische Macht der EU. Wir profitieren von der Union, aber wir bringen auch viel ein.
Wir sind fest überzeugt: wenn ein großer Mitgliedstaat gravierende Bedenken hat, Bedenken, die er seit mehreren Jahren maßvoll und konstruktiv vorgetragen hat, dann kann er mit Fug und Recht erwarten, dass diese Bedenken angesprochen werden.
Im Zentrum dieser Verhandlungen steht eine sehr einfache Frage: Ist die Europäische Union flexibel genug, um den Anliegen aller ihrer sehr verschiedenen Mitgliedstaaten gerecht zu werden?
Die Antwort auf diese Frage muss ein Ja sein, wenn die EU überleben und florieren will – nicht nur für Großbritannien, sondern auch für andere Mitgliedstaaten, große wie kleine, im Norden und Süden, im Osten und Westen.
Die Europäische Union ist an einem entscheidenden Punkt angelangt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um dafür zu sorgen, dass die Mitgliedschaft der Europäischen Union für Euro- und Nicht-Euro-Länder gleichermaßen funktioniert.
Ich denke, die meisten würden zustimmen, dass dies eine überaus zumutbare Forderung ist.
Es hat bereits produktive Gesprächsrunden gegeben, mit allen europäischen Regierungschefs, mit den Präsidenten des Europäischen Rates und des Parlaments und natürlich mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, der diese Angelegenheit zu seiner Priorität gemacht und seine Unterstützung für eine faire Regelung für Großbritannien zugesagt hat.
Ich bin also ganz zuversichtlich, dass wir eine Regelung finden werden, die Großbritannien und unseren europäischen Partnern gerecht wird.
Und falls und sobald uns das gelingt, werde ich, wie ich vor drei Jahren sagte, mich dafür einsetzen, dass Großbritannien in einer reformierten Union bleibt. Ich werde mich mit Leib und Seele dafür einsetzen, denn das wird unverrückbar in unserem nationalen Interesse sein.
Wenn wir eine solche Regelung aber nicht finden können, und wenn Großbritanniens Bedenken auf taube Ohren stoßen, was ich nicht glaube, dann werden wir neu überlegen müssen, ob diese Europäische Union das Richtige für uns ist.
Und wie ich früher gesagt habe – schließe ich nichts aus.
Das Beste beider Welten
Und den britischen Bürgern sage ich:
Wir haben eine lange Tradition des Engagements dort, wo uns die Mitgliedschaft in der Europäischen Union das Beste zu bieten hat. Dort, wo es für Großbritannien funktioniert, für unsere eigene Geschichte und eigenen Traditionen.
Schon jetzt haben wir dafür gesorgt, dass wir als Briten in Europa frei reisen können, aber gleichzeitig haben wir unsere eigenen Grenzkontrollen aufrechterhalten.
Wir haben unsere eigene Währung behalten, während wir den vollen Zugang zum Binnenmarkt haben.
Wir haben den EU-Haushalt zum allerersten Mal gekürzt, und den britischen Beitragsrabatt gleichzeitig geschützt.
Wir haben Großbritannien erfolgreich aus dem Rettungsmechanismus der Eurozone herausgenommen – womit erstmals Befugnisse aus Brüssel nach Westminster zurückgegeben wurden.
Durch unseren Opt-out aus den Bereichen Justiz und Inneres haben wir die größte Rückübertragung von Befugnissen nach Großbritannien seit unserem EU-Beitritt erreicht.
Und wenn wir mussten, haben wir von unserem Vetorecht Gebrauch gemacht – so habe ich einen Vertrag blockiert, der nicht im nationalen Interesse Großbritanniens war.
Mit anderen Worten: wir haben schon gezeigt, dass es für Großbritannien möglich ist, einen Weg zu finden, der in unserem Sinne ist.
Und ich glaube, dass wir das auch wieder tun können und dass wir durch diese Neuverhandlungen das Beste beider Welten haben können.
Wir müssen uns nicht zwischen einer marginalisierten Stimme in Europa und einer isolierten Stimme außerhalb Europas entscheiden.
Lassen Sie mich erklären, was ich meine.
Ablehnung des Status quo
Wer glaubt, wir sollten um jeden Preis in der EU bleiben, muss erklären, warum Großbritannien den Status quo akzeptieren sollte.
Mir ist klar, dass der Status quo Großbritannien echte Probleme bereitet.
Wirtschaftliche Risiken könnten entstehen, wenn wir es zuließen, dass die Euro-Länder unser Geld ausgeben oder europäische Vorschriften uns daran hindern, Handel zu treiben und Arbeitsplätze zu schaffen.
Und es gibt auch erhebliche Risiken, wenn wir zulassen, dass unsere Souveränität durch eine immer engere Union unterminiert wird, oder wenn wir stillhalten und nichts gegen die unhaltbare Rate der Zuwanderung in unser Land unternehmen.
Aber genau wie die Befürworter eines Verbleibs in der EU um jeden Preis ernsthafte Fragen beantworten müssen, müssen auch die Befürworter eines sofortigen Austritts sich genau überlegen, welche Folgen ihre Argumentation haben könnte und welche Risiken mit dem von ihnen vertretenen Kurs verbunden sein könnten.
Was würde es für unsere wirtschaftliche Sicherheit bedeuten, wenn wir nicht mehr in der Europäischen Union wären?
Und was würde es für unsere nationale Sicherheit bedeuten?
Lassen Sie mich auf diese Fragen nacheinander eingehen.
Wirtschaftliche Sicherheit
Zunächst zu unserer wirtschaftlichen Sicherheit.
Die Befürworter eines Austritts aus der EU argumentieren zumeist, wir würden dann immer noch Beziehungen zum Binnenmarkt haben wollen und wir würden immer noch Handelsabkommen mit der übrigen Welt schließen.
Die Frage ist nur, wie genau das funktionieren würde.
Beim Binnenmarkt meinen einige, wir könnten wie die Schweiz oder Norwegen sein.
Diese Länder sind gute Freunde von uns – aber sie sind auch sehr anders als wir.
Die Schweiz musste ihren Zugang zum Binnenmarkt Sektor für Sektor aushandeln.
Norwegen gehört zum Binnenmarkt, hat aber kein Mitspracherecht bei der Festlegung seiner Regeln: es muss nur die Richtlinien umsetzen.
10.000 Regeln und Vorschriften in den letzten 20 Jahren, fünf an jedem Sitzungstag des norwegischen Parlaments.
Ironischerweise ist es daher so, dass wenn wir dem Modell Norwegens folgen würden, Europas politische Einmischung in unser Land tatsächlich steigen statt schrumpfen würde.
Denn es gibt einen Haken.
Der Binnenmarkt hat Regeln. Wir werden nicht immer bekommen, was wir von diesen Regeln haben wollen. Aber wir haben einen größeren Einfluss darauf, wenn wir in der EU sind, wo diese Regeln gemacht werden.
Und was den Handel anbelangt, müssen die Befürworter eines Austritts erklären, wie die 1-er Liga im Vergleich zur 28-er Liga dasteht.
Die Möglichkeit, als Teil eines Wirtschaftsraums mit 500 Millionen Menschen zu verhandeln, gibt uns als Einzelstaat mehr Macht.
Unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union verschafft uns Freihandelsabkommen mit über 50 Ländern in aller Welt.
Wenn wir versuchen müssten, alle diese Abkommen allein neu auszuhandeln, wäre das kein schneller und einfacher Prozess.
Wir sollten uns also klarmachen, dass wir bei einem Austritt aus der EU nicht automatisch auf der Überholspur in ein Land gelangen würden, wo Milch und Honig fließt.
Nationale Sicherheit
Ebenso, wie bei einem Austritt unser zukünftiger Wohlstand in Frage gestellt würde, würde auch unsere zukünftige Sicherheit in Frage gestellt.
Im Jahr 2015 betrifft unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht nur Handel und Kommerz, Pfund und Pence. Neben unserer wirtschaftlichen Sicherheit geht es auch um unsere nationale Sicherheit.
Ohne Zweifel leben wir heute gefährlicher als vor drei Jahren, als ich meine Bloomberg-Rede hielt.
Den IS gab es damals noch nicht. Jetzt kontrolliert er große Gebiete in Irak und Syrien und stellt eine direkte Bedrohung unseres Landes dar.
Damals herrschte in der Ukraine Frieden. Jetzt befindet sie sich in der Krise, nachdem Russland auf der Krim und in der Ostukraine eingefallen ist.
Und der Krieg in Syrien hat natürliche Migrationsströme in Richtung Europa ausgelöst, die wir es Abend für Abend im Fernsehen erleben.
Großbritannien ist dem Schengen-Raum der offenen Grenzen nie beigetreten, so dass wir unsere Grenzkontrollen aufrechterhalten.
Dies sowie unserer geographischer Status als Insel bedeuten, dass wir von dieser Krise weniger direkt betroffen sind als andere europäische Länder.
Gemäß unserem Abkommen mit Frankreich, auch einem EU-Mitglied, findet die Kontrolle unserer Grenzen mit dem europäischen Festland heute praktisch nicht mehr in Dover, sondern in Calais statt.
Und unsere Entscheidung, 20.000 syrische Flüchtlinge aus Lagern aufzunehmen, war eine britische nationale souveräne Entscheidung.
Dennoch ist unsere EU-Mitgliedschaft für die Sicherheit unseres Landes und unserer Verbündeten wichtig – ein Grund, warum unsere Freunde in der Welt uns dringend dazu aufrufen, in der EU zu bleiben.
Es geht nicht nur um zahlenmäßige Stärke, so wichtig diese auch ist.
Die EU ist, genau wie die NATO und unsere Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat, ein Instrument, das ein britischer Premierminister einsetzt, um in der Welt etwas zu erreichen und um unser Land zu schützen.
Als Russland in der Ukraine einfiel und die europäischen Regierungschefs sich trafen, setzte Großbritannien Sanktionen durch, um Russland zu bestrafen und für eine robuste Reaktion zu sorgen.
Beim Iran hat Großbritannien die strengen Sanktionen mit durchgesetzt, die das Land an den Verhandlungstisch brachten.
Erreicht wurde das über die EU.
Mein Punkt ist folgender: Wenn der britische Premierminister bei europäischen Gipfeltreffen nicht mehr dabei wäre, würden wir diese Stimme verlieren, wodurch sich unsere Fähigkeit, etwas in der Welt zu erreichen, dauerhaft verändern würde.
Als souveränes Land haben wir jedes Recht, diese Entscheidung zu treffen. Aber wir sollten es mit offenen Augen tun.
Großbritanniens Zukunft
Ich sage keineswegs, dass Großbritannien außerhalb der Europäischen Union nicht überleben könnte.
Natürlich könnten wir das.
Wir sind ein großartiges Land. Die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Die wachstumsstärkste Wirtschaft aller G-7-Staaten im letzten Jahr. Europas Spitzenreiter bei ausländischen Direktinvestitionen.
Unsere Hauptstadt ist eine globale Ikone. Die Welt spricht buchstäblich unsere Sprache.
Im letzten Monat verbrachte der Präsident Chinas eine Woche in unserem Land. Diese Woche kommt der Premierminister Indiens. Aus ihrer Sicht hat unser Land, das wir alle lieben, eine große Zukunft.
Niemand bezweifelt, dass Großbritannien ein stolzes, erfolgreiches, blühendes Land ist. Ein Land, das aus eigener Kraft zu wirtschaftlichem Erfolg gelangt ist.
Keine Rede mehr vom “kranken Mann Europas”, als wir vor vier Jahrzehnten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beitraten.
Die Frage ist nicht, ob wir außerhalb der Europäischen Union erfolgreich sein können. Die Frage ist, ob wir innerhalb der EU erfolgreicher wären als außerhalb.
Ob unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union unsere wirtschaftliche Sicherheit verbessert oder ob sie ihr schadet.
Ob unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union uns mehr Sicherheit gibt oder weniger?
Das ist eine Frage des Ermessens.
Eine Frage, über die letztlich die britischen Bürger in dem Referendum urteilen, das ich versprochen habe und das ich abhalten werde.
Sie werden beurteilen müssen, was am besten für Sie und Ihre Familie, für Ihre Kinder und Enkelkinder, für unser Land, für unsere Zukunft ist.
Sie werden entscheiden, ob wir auf der Grundlage der Reformen, die wir aushandeln, in der EU bleiben oder austreten werden.
Darüber entscheiden nur Sie. Niemand sonst. Nicht die Politiker, nicht die Abgeordneten, nicht die Lobbyisten, nicht ich. Nur Sie. Sie, das britische Volk, entscheiden. In diesem Augenblick wird das Schicksal unseres Landes in Ihren Händen liegen. Dies ist eine enorm wichtige Entscheidung für unser Land, vielleicht die größte, die wir zu unseren Lebzeiten treffen werden.
Und sie wird endgültig sein.
Manche behaupten, nach einer Entscheidung im Referendum für einen Austritt kämen nur weitere, härtere Neuverhandlungen und dann ein zweites Referendum, in dem Großbritannien für einen Verbleib stimmen würde. Ihnen sage ich: denken Sie noch einmal nach.
Die Neuverhandlungen finden jetzt statt. Und das Referendum, das darauf folgt, wird eine Entscheidung sein, die es für jede Generation nur einmal gibt. Ein Referendum über Verbleib oder Austritt.
Wenn die britischen Bürger sprechen, wird ihre Stimme respektiert werden. Wir werden sie nicht ignorieren.
Wenn wir für den Austritt votieren, treten wir aus.
Es wird keine weiteren Neuverhandlungen und kein weiteres Referendum geben.
Das sage ich meinen europäischen Kollegen, mit denen ich Verhandlungen führe.
Dies ist unsere Chance, es richtig zu machen – für Großbritannien und für die gesamte Europäische Union.
Denen, die daran denken, für einen Austritt zu stimmen, sage ich: Überlegen Sie es sich gut, denn diese Entscheidung kann nicht rückgängig gemacht werden.
Und denen, die für einen Austritt werben, aber eigentlich auf ein zweites Referendum hoffen, sage ich: Stimmen Sie nach Ihrer Überzeugung ab. Wenn Sie meinen, wir sollten austreten – und austreten heißt austreten – dann sollten sie dafür werben und dafür stimmen. Aber wenn Sie eigentlich für ein besseres Verhältnis zwischen Großbritannien und der Europäischen Union eintreten, dann sollten Sie nicht für einen Austritt werben.
Arbeiten Sie mit mir zusammen, um diese bessere Regelung für Großbritannien zu bekommen.
Schlussfolgerung
Was nun?
Ich habe heute die Änderungen beschrieben, die ich haben möchte, und die Großbritannien braucht.
Einige – hier und anderswo in der EU – werden sagen, wir hätten uns auf eine Mission Impossible begeben.
Aber warum? Ich leugne nicht, dass der Versuch, Änderungen herbeizuführen, die der Zustimmung von 27 anderen Demokratien bedürfen, alle mit ihren eigenen Sorgen, eine große Aufgabe ist.
Aber eine unmögliche?
Das glaube ich keine Minute. Wenn Sie sich die Herausforderungen ansehen, vor den die europäischen Regierungschefs heute stehen, dann fallen die von Großbritannien angestrebten Änderungen nicht in die Kategorie “unmöglich”.
Sie sind, bei entsprechendem politischem Willen und politischer Phantasie, durchaus realisierbar.
Die Europäische Union hat eine gute Bilanz bei der Lösung unlösbarer Probleme. Dieses Problem kann sie auch lösen.
Machen wir uns also entschlossen an die Arbeit.
Denn der Preis, der uns winkt, ist groß.
Eine neue Europäische Union.
Eine Europäische Union, die in Sachen Wettbewerbsfähigkeit Weltspitze, ein Magnet für Startup-Unternehmen, ein Motor für Beschäftigung und Wachstum sein könnte.
Eine Europäische Union, in der Euro-Länder wie Nicht-Euro-Länder sicher sein könnten, dass ihre Interessen in vollem Umfang geschützt würden.
Eine Europäische Union, die die unterschiedlichen Visionen ihrer Mitglieder anerkennen und ihre Vielfalt als Quelle der Stärke feiern würde.
Eine Europäische Union, in der die Staaten, die auf eine politische Union hinarbeiten wollten, dies weiter tun könnten, aber in der es auch klar akzeptiert würde, dass Großbritannien sich an einem solchen Projekt nicht beteiligen würde.
Eine Europäische Union, in der Großbritannien mehr Kontrolle über die Zahl der Zuwanderer in unser Land ausüben könnte.
Mit anderen Worten: eine flexible Europäische Union, in der alle Mitglieder überzeugt sind, dass ihre eigene Mitgliedschaft gut für sie funktioniert und dass unser britisches Modell der Mitgliedschaft gut für uns funktioniert.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir das mit Geduld, mit gutem Willen, mit Einfallsreichtum erreichen können.
Und dass wir auf diesem Wege Großbritannien und Europa insgesamt zu mehr Sicherheit und mehr Wohlstand für die kommenden Generationen verhelfen können.
Updates to this page
Letzte Aktualisierung am 13 November 2015 + show all updates
-
Added Q&A section
-
First published.