Migration und EU-Reform: Erklärung von Premierminister David Cameron in Lissabon
David Cameron gab bei einem Treffen mit dem portugiesischen Premierminister Pedro Passos Coelho in Lissabon eine Erklärung zu den Themen Migration und EU-Reform ab.
Ich freue mich, heute in Portugal zu sein - bei Großbritanniens ältestem Verbündeten. Ich war ja gerade erst vor einigen Wochen im Urlaub hier. Aber dies ist mein erster offizieller Besuch in Lissabon seit meiner Teilnahme am NATO-Gipfel 2010.
Damals standen unsere beiden Volkswirtschaften am Abgrund. Großbritannien befand sich in der schwersten Rezession aller großen Staaten. Und Portugals Kreditkosten hatten astronomische Höhen erreicht.
Als Regierungschefs mussten wir unliebsame Entscheidungen treffen, um unsere Volkswirtschaften wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
Wir sehen bereits erste Ergebnisse - die wirtschaftliche Erholung in Großbritannien, die von der Beschäftigung angetrieben wird, hat pro Tag mehr als 1000 Arbeitsplätze geschaffen. Und in Portugal ist die Arbeitslosigkeit auf den Stand vor der Krise gesunken, und die Regierung ist jetzt in der Lage, Finanzen zu beschaffen. Herr Premierminister, das ist eine bemerkenswerte Bilanz.
Beide wollen wir den Job zu Ende bringen und erreichen, dass die Wirtschaft unserer Länder weiter wächst und unsere hart arbeitende Bevölkerung sich keine Sorgen mehr zu machen braucht.
Heute haben wir über die EU-Reform und die Migrationskrise gesprochen.
EU-Reform
Zunächst zur EU-Reform. Wir haben über mein Vorhaben gesprochen, auf die Sorgen der britischen Bürger einzugehen und die EU wettbewerbsfähiger zu machen.
Ich habe die vier Bereiche aufgeführt, in denen wir Reformen anstreben: Wettbewerbsfähigkeit, Souveränität, soziale Sicherheit und Steuerung der Wirtschaft.
In vielen Punkten sind der Premierminister und ich einer Meinung. Wir finden zum Beispiel beide, dass die EU mehr tun kann, um das Potential des Binnenmarktes auszuschöpfen, sei es bei den Dienstleistungen, auf dem Energiemarkt oder in der Digitalwirtschaft.
Wir wünschen uns beide weniger unnötige Regulierung auf europäischer Ebene, und wir begrüßen es, dass die Europäische Kommission unter Präsident Juncker weniger Entwürfe für Rechtsvorschriften produziert. Wir glauben beide an eine stärkere Rolle für die nationalen Parlamente.
Dies sind Reformen, die nicht nur Großbritannien zugute kommen werden, sondern auch Portugal und anderen EU-Staaten. Natürlich muss noch weiter daran gearbeitet werden, die richtigen Lösungen zu finden. Aber ich glaube, dass sich das machen lässt.
Den Kern der Verhandlungen bildet eine einfache Frage: Ist die EU flexibel genug, um auf die unterschiedlichen Anliegen ihrer 28 Mitgliedstaaten einzugehen und die EU gemeinsam erfolgreicher zu machen?
Migration
Um auf die Migration zu sprechen zu kommen - dies ist eindeutig die größte Herausforderung, vor der die Länder Europas heute stehen. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden mehr als 220.000 Menschen gezählt, die über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind.
Und allein im Juli haben über 100.000 Menschen diese Reise unternommen, dreimal so viele wie im letzten Jahr. Diese Menschen kommen aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Verhältnissen.
Wie wir wissen, sind viele davon Syrer, die vor dem Konflikt fliehen, der in ihrem Land wütet, der mehr als 220.000 Todesopfer gefordert und mehr als 11 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben hat. Sie haben jetzt zwei Feinde in ihrer Heimat: Assad und den IS.
Großbritannien hat eine moralische Pflicht, Flüchtlingen zu helfen, wie wir es in unserer Geschichte immer getan haben. Wir gewähren Zuflucht und werden es auch weiter tun.
Als zweitgrößter Geber in dieser Krise haben wir über 1,2 Mrd. Euro an Hilfe für die Betroffenen in Syrien und der Region bereitgestellt: wir haben Unterkünfte, Lebensmittel, Wasser und medizinische Versorgungsgüter für Millionen verzweifelter Flüchtlinge finanziert und ihnen geholfen, in den Nachbarländern Syriens, etwa in Jordanien und Libanon, zu überleben.
Kein europäisches Land hat in dieser Hinsicht mehr getan als Großbritannien. Ohne diese massive Hilfe wäre die Zahl der Menschen, die heute diese gefährliche Reise nach Europa unternehmen, noch größer.
Nun haben wir bereits rund 5.000 Syrer aufgenommen und ein spezielles Eingliederungsprogramm eingeführt, neben denen, die wir schon haben, um den besonders gefährdeten syrischen Flüchtlingen beizustehen.
Wie ich diese Woche sagte, werden wir im Rahmen dieser Regelung noch weitere Tausende aufnehmen, und wir überprüfen dies weiterhin.
Und angesichts des Ausmaßes dieser Krise und des Leidens der Menschen kann ich heute bekannt geben, dass wir noch mehr tun werden - wir ermöglichen die Ansiedelung von mehreren tausend weiteren syrischen Flüchtlingen.
Wir werden es weiter so handhaben, dass wir sie von den Flüchtlingslagern abholen. Damit bieten wir ihnen eine direktere und sicherere Route nach Großbritannien, so dass sie die gefährliche Reise, die tragischerweise so viele Menschen das Leben gekostet hat, nicht auf sich nehmen müssen.
Wir werden mit Nichtregierungsorganisationen und unseren Partnern beraten, wie wir diese Programme am besten ausgestalten und welche Zahlen wir aufnehmen. Nächste Woche werden wir mehr Details bekannt geben.
Außerdem wird Großbritannien weiter mit seinen Partnern zusammenarbeiten, um den Konflikt in Syrien zu lösen, die Region zu unterstützen, die Schleuserbanden zu verfolgen, die diese Menschen ausbeuten, und Menschenleben auf See zu retten. Die HMS Enterprise bleibt im Mittelmeer, zusammen mit den Schiffen der Border Force und HMS Bulwark - sie haben inzwischen über 6.700 Menschenleben gerettet.
Großbritannien wird mit Herz und Verstand handeln, den Bedürftigen Zuflucht gewähren und gleichzeitig auf langfristige Lösungen der Krisen hinarbeiten. Wie ich diese Woche sagte, bedeutet das, die Konflikte zu beenden, die so viele Menschen in die Flucht treiben, so auch das Blutbad in Syrien.